
Verfahrenskostenhilfe
Ihr Recht auf Gerechtigkeit – auch ohne große Mittel
Im deutschen Recht gilt das Prinzip, dass niemand wegen seiner finanziellen Verhältnisse auf die Durchsetzung seiner Rechte vor Gericht verzichten muss. Die Verfahrenskostenhilfe ist das zentrale Instrument, um diesen Zugang zur Justiz zu gewährleisten. Sie stellt sicher, dass auch Bürgerinnen und Bürger mit geringem Einkommen gerichtliche Verfahren führen können.
Im Wesentlichen ist die Verfahrenskostenhilfe die Bezeichnung für die Prozesskostenhilfe in bestimmten Verfahrensarten, insbesondere in Familiensachen wie z. B. Scheidungen, Unterhaltsstreitigkeiten, Zugewinnausgleichsverfahren und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Voraussetzungen und der Ablauf sind jedoch nahezu identisch.
Was ist Verfahrenskostenhilfe?
Die Verfahrenskostenhilfe ist eine staatliche Sozialleistung, die bedürftigen Personen die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, um die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens wie Gerichtskosten und eigene Anwaltskosten ganz oder teilweise zu tragen.
- Ziel: Die finanzielle Gleichstellung aller Bürger vor Gericht.
- Abgrenzung: Im Gegensatz zur Beratungshilfe, die für die außergerichtliche Rechtsberatung durch einen Anwalt gedacht ist, deckt die Verfahrenskostenhilf die Kosten für das eigentliche gerichtliche Verfahren ab.
Voraussetzungen für die Bewilligung
Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist an drei zentrale Voraussetzungen geknüpft, die das Gericht im Einzelfall prüft:
Persönliche und wirtschaftliche Bedürftigkeit
Der Antragsteller muss nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten des Verfahrens nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können.
- Prüfung der Finanzen: Das Gericht prüft das Einkommen, das Vermögen und die monatlichen Ausgaben wie z.B. Miete, Freibeträge für sich selbst, für den Ehe- oder Lebenspartner und für unterhaltsberechtigte Kinder.
- Einkommen: Vom Bruttoeinkommen werden Steuern, Sozialabgaben, Werbungskosten, Freibeträge und angemessene Belastungen wie z. B. Mietkosten abgezogen, um das einzusetzende Einkommen zu ermitteln.
- Vermögen: Grundsätzlich muss vorhandenes Vermögen eingesetzt werden. Ausnahmen bestehen jedoch für angemessenen selbst genutzten Wohnraum, kleinere Barbeträge und Vermögenswerte, die der Altersvorsorge dienen.
Hinreichende Erfolgsaussicht
Das beabsichtigte Verfahren oder die Rechtsverteidigung muss eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten.
- Das Gericht nimmt eine vorläufige Prüfung des Sach- und Rechtsstandes vor. Es wird nicht gefordert, dass der Prozess mit Sicherheit gewonnen wird, aber die Klage oder Verteidigung darf nicht offensichtlich unbegründet sein.
- Bloße Beweisschwierigkeiten führen in der Regel noch nicht zur Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe.
Keine Mutwilligkeit
Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht mutwillig erscheinen.
- Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine verständige, nicht bedürftige Person in derselben Situation das Verfahren nicht führen würde wie z. B. wegen der Geringfügigkeit des Streitwerts.
- Anderweitige Kostenübernahme: Ein Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe entfällt, wenn die Kosten von einer Rechtsschutzversicherung oder einer anderen Stelle wie beispielsweise einer Gewerkschaft oder einem Sozialverband übernommen werden müssten oder wenn ein Prozesskostenvorschussanspruch gegenüber Ehegatten oder Eltern besteht.
Umfang der Verfahrenskostenhilfe
Wird die Verfahrenskostenhilfe bewilligt, umfasst sie:
- Gerichtskosten: Die Verfahrenskostenhilfe deckt die anfallenden Gerichtsgebühren ab.
- Eigene Anwaltskosten: Es wird ein Rechtsanwalt beigeordnet, dessen gesetzliche Vergütung vom Staat getragen wird.
Wichtig: Die Verfahrenskostenhilfe deckt nicht das Risiko ab, im Falle des Verlierens des Verfahrens die Anwaltskosten der Gegenseite tragen zu müssen.
Antragstellung und Ablauf
Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe muss beim zuständigen Gericht gestellt werden, bei dem das Verfahren anhängig ist oder eingeleitet werden soll.
- Antrag: Er erfolgt in der Regel schriftlich, oft zusammen mit der Klage oder dem Antrag durch den beauftragten Rechtsanwalt.
- Formular: Zwingend notwendig ist das amtliche Formular mit der sog. Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe, das vollständig ausgefüllt und unterschrieben eingereicht werden muss.
- Belege: Dem Antrag sind sämtliche Belege in Kopie beizufügen, die die Angaben zu Einkommen, Vermögen, Miete und Zahlungsverpflichtungen wie z.B. Lohnbescheinigungen, Mietvertrag und Kontoauszüge der letzten drei Monate bestätigen.
Gerichtliche Entscheidung
Das Gericht entscheidet, ob die Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung, mit Ratenzahlung oder abgelehnt wird.
Rückzahlung und Nachprüfung
Die Verfahrenskostenhilfe ist nicht immer ein endgültiges Geschenk des Staates, sondern wird häufig unter Vorbehalt bewilligt.
Ratenzahlung
Wird die Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt, muss die begünstigte Person monatliche Raten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens zahlen.
- Maximaldauer: Die Ratenzahlung ist auf 48 Monatsraten, also vier Jahre, begrenzt.
- Geringe Raten: Beträgt die errechnete Monatsrate weniger als 10 Euro, wird auf eine Ratenzahlung verzichtet, und die Verfahrenskosten werden vollständig vom Staat übernommen.
Nachprüfung der Verhältnisse
Das Gericht überprüft die finanziellen Verhältnisse des Begünstigten bis zu vier Jahre nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens.
- Meldepflicht: Verbessert sich die finanzielle Situation wesentlich wie z. B. eine Erhöhung des monatlichen Bruttoeinkommens um mehr als 100 Euro oder eine größere Erbschaft, besteht eine Meldepflicht gegenüber dem Gericht.
- Bei einer festgestellten Verbesserung kann das Gericht eine Rückzahlung der gesamten oder eines Teils der übernommenen Kosten anordnen.
